Die am 23.06.25 veröffentlichte Studie von Sanktionsfrei e.V. liefert erschreckende Belege für die systematische Benachteiligung von Menschen mit Fürsorgeverantwortung im deutschen Sozialsystem. 54% der Eltern im Bürgergeld verzichten auf Essen, damit ihre Kinder satt werden. Jede*r zweite Befragte mit Kindern kann aufgrund fehlender Betreuung keine Arbeit aufnehmen. Bei pflegenden Angehörigen sind es sogar 88%, die ihre Fürsorgeverantwortung als Hindernis bei der Arbeitssuche erleben.
Diese Studie dokumentiert nichts weniger als strukturelle Diskriminierung. Menschen werden systematisch benachteiligt, weil sie gesellschaftlich unverzichtbare Fürsorgearbeit leisten. Das ist verfassungswidrig.
Die Daten zeigen ein perfides System: Während 30% der erwerbsfähigen Bürgergeld-Beziehenden dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehen, weil sie Kinder betreuen oder Angehörige pflegen, werden sie gleichzeitig mit einem Regelsatz abgespeist, der nicht einmal das Existenzminimum sichert.
„Hier wird Care-Arbeit nicht nur unsichtbar gemacht, sondern aktiv bestraft“, so Jo Lücke, Vorstand der Liga für unbezahlte Arbeit. „Wer sich um Kinder oder pflegebedürftige Angehörige kümmert, wird in die Abhängigkeit gedrängt und von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen.“
Die Liga für unbezahlte Arbeit fordert deshalb die Aufnahme familiärer Fürsorgeverantwortung als Diskriminierungsmerkmal in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes.
„Wenn familiäre Fürsorgeverantwortung verfassungsrechtlich geschützt wäre, könnte kein Jobcenter mehr Alleinerziehende zu Nachtschichten zwingen oder pflegende Angehörige sanktionieren, weil sie nicht 40 Stunden arbeiten können“, erklärt Franzi Helms, Gründerin der Liga.
Die Studie macht deutlich: Das Problem liegt nicht bei den Menschen, sondern im System. Aber die politischen Vorzeichen verschlechtern sich. 72% der Bürgergeld-Beziehenden haben Angst vor weiteren Verschärfungen. Die geplante „Neue Grundsicherung“ droht, die Situation zu verschärfen.
„Wir stehen an einem Wendepunkt. Entweder wir schaffen jetzt den verfassungsrechtlichen Schutz für Sorgearbeitende – oder wir erleben eine Rückkehr zu Verhältnissen, die Millionen Menschen in Armut und Abhängigkeit drängen“, so Lücke und Helms.
Die Zeit für kosmetische Korrekturen ist vorbei. Die Verfassung muss endlich anerkennen, was längst Realität ist: Ohne Sorgearbeit funktioniert keine Gesellschaft. Es ist höchste Zeit, dass das Grundgesetz dieser Erkenntnis Rechnung trägt.
Über die LUA:
Die Liga für unbezahlte Arbeit e.V. ist die erste zentrale Interessenvertretung für alle familiär Sorgearbeitenden in Deutschland. Sie wurde 2025 gegründet und setzt sich für die rechtliche Absicherung und gesellschaftliche Aufwertung von Sorgearbeit ein.
Hinweis für die Redaktion:
Bildmaterial und Hintergrundinformationen finden Sie unter https://lua-carewerkschaft.de/presse/
Jo Lücke (sie/ihr) / Franzi Helms (sie/ihr)
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