
FAQ – Unsere Antworten auf eure Fragen

Mitgliedschaft & Beiträge
Wer kann Mitglied werden - nur aktiv Sorgearbeitende oder auch Unterstützer*innen?
Jede und jeder kann Fördermitglied werden, neben Einzelpersonen auch andere Vereine, Verbände oder Stiftungen. Wer die Liga und ihre Arbeit fördern will, ist herzlich willkommen – egal ob jemand selbst Sorgearbeit leistet oder wie viel.
Wie hoch sind die Mitgliedsbeiträge?
Die Beiträge betragen 80 / 120 / 240 Euro und ermäßigt 40 Euro pro Jahr. Monatliche Zahlungen ermöglichen wir gern auf Anfrage an info@lua-carewerkschaft.de.
Was ist der Unterschied zwischen einer Fördermitgliedschaft und einer ordentlichen Mitgliedschaft?
Die Fördermitgliedschaft umfasst kein Stimmrecht auf der Mitgliederversammlung, die ordentliche Mitgliedschaft hingegen schon. Da die Liga sehr groß werden wird, ist die ordentliche Mitgliedschaft nur auf Antrag vorgesehen und vor allem für Menschen gedacht, die früher oder später ein Amt oder eine Funktion in der LUA übernehmen wollen.
Gibt es eine Mindestlaufzeit für die Mitgliedschaft?
Nein, die gibt es nicht. Beachte jedoch, dass dein Mitgliedsbeitrag bei der jährlichen Zahlungsweise nicht anteilig zurückerstattet wird, wenn du kündigst.
Warum sollte ich Mitglied werden?

1. Du bist nicht allein!
Spüre, dass du Teil einer riesigen Gemeinschaft bist. Triff Menschen, denen es genauso geht wie dir – raus aus dem Privaten, rein in die Bewegung.
2. Du kennst deine Rechte!
Als Mitglied erhältst du vergünstigten Zugang zu Workshops und Expert*innen-Vorträgen. Wir klären über rechtliche Möglichkeiten auf und zeigen dir, wie du dich gegen Diskriminierung wehren kannst. Perspektivisch bieten wir auch Rechtsberatung an.
3. Deine Stimme wird gehört!
Die LUA macht die unsichtbare Arbeit sichtbar. Als Mitglied stärkst du unsere Position gegenüber Politik und Gesellschaft. Je mehr wir sind, desto lauter wird unsere Stimme für eine Grundgesetzänderung.
4. Du gestaltest mit!
In der LUA entscheidest du mit, welche Themen wir angehen und wie wir unsere Ziele erreichen. Ob in Arbeitsgruppen, bei Kampagnen oder in der strategischen Ausrichtung – deine Erfahrung und deine Ideen sind gefragt.
5. Du veränderst das System!
Mit deiner Mitgliedschaft unterstützt du nicht nur kleine Verbesserungen, sondern einen grundlegenden Wandel. Gemeinsam schaffen wir eine Gesellschaft, die Sorgearbeit wertschätzt und schützt.

Organisatorisches & Struktur
Wie finanziert sich die Liga?
Die LUA ist als mitgliederstarker, gemeinnütziger Verein angelegt und finanziert sich über die Beiträge und Spenden ihrer Unterstützer*innen. Das Vortrags- und Workshop-Programm ist kostendeckend konzipiert.
Wofür gibt die Liga das Geld aus, das sie einnimmt?
Neben Kosten wie Webhosting, Mitgliederverwaltungssoftware und anderen Basiskosten ist das Ziel der LUA, alle ihre Schlüsselpositionen zu bezahlen: Vorstand, Verwaltung, Buchhaltung, juristische Beratung, Steuerberatung, Grafikdesign, und so weiter. Um den langen Atem zu haben, den wir brauchen werden, benötigen wir professionelle Strukturen. Aus Erfahrung wissen wir, dass Ehrenamtliche oft schon so viel Sorgearbeit haben, dass es eine Herausforderung ist, darüber hinaus noch Zeit und mentale Kapazität zu haben. Davon abgesehen will die LUA nicht noch mehr unbezahlte Arbeit generieren. Honorare und Ausgaben werden dabei stets von dem Vertrauensgremium des Vereins kontrolliert und auch die Gemeinnützigkeit der LUA verbietet verschwenderisches Handeln.
Welche Expertise haben die Gründer*innen?
Jo Lücke arbeitet seit 2019 als politische Bildnerin, Autorin und Speakerin zu unbezahlter Sorgearbeit. Sie studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Mannheim, arbeitete viele Jahre wissenschaftlich und leitete mit der Gründung des Ensemble-Netzwerks eine neue Ära der Arbeitskämpfe an deutschen Theatern ein. 2021 bestreikte sie mehrere Monate lang ihre Lohnarbeit, um sich während der Pandemie angemessen um ihre Kinder kümmern zu können. Seither befasst sie sich mit der Möglichkeit des politischen Streiks und der rechtlichen Position Sorgearbeitender in Wirtschaft und Gesellschaft. 2022/23 war sie Co-Leitung der Initiative Equal Care Day. Im Januar 2024 erschien ihr Buch „Für Sorge“ bei Knaur, das sich umfassend mit der Entstehung der Care-Krise und ihren Auswirkungen auf Paarbeziehungen und Arbeitsteilung in der Familie befasste. Ihr erster öffentlicher Impuls mit dem Titel: „Brauchen wir eine Gewerkschaft für Sorgearbeit?“ fand am 29.2.2024 beim Equal Care Day statt, weitere folgten, und schließlich teilte sie ihre Idee mit Franzi, die sofort Feuer und Flamme war.
Franzi Helms arbeitet seit 2022 als systemische Coachin, Trainerin und Speakerin zu Mental Load, Gender Bias und Vereinbarkeit. Sie studierte Strategische Unternehmensführung und beschäftigte sich früh mit nachhaltigen Organisationsstrukturen. Ihre berufliche Laufbahn begann sie im HR eines Automobilkonzerns, wo sie immer wieder mit Karrierehindernissen konfrontiert wurde, die insbesondere Mitarbeitende mit Sorgeverpflichtungen begegneten. In der Pandemie entschied sie sich, neue Wege zu gehen – und als Selbstständige Sorgearbeitende mit Coachings, Workshops und Vorträgen zu unterstützen und zu bestärken. Neben ihrer selbstständigen Arbeit engagierte sie sich ehrenamtlich beim Bundesverband Equal Care, wo sie Jo Lücke kennenlernte und mit ihr jahrelang zusammenarbeite. 2023/2024 Übernahm sie die Co-Projektleitung des Equal Care Festivals, das bundesweit Impulse setzte. Ihre Arbeit heute verbindet persönliche Erfahrung mit fachlicher Tiefe und systemischem Blick – immer mit dem Ziel, Gleichberechtigung zu fordern und zu leben.
Welche Struktur hat die Liga?
Unsere demokratischen Strukturen basieren auf regelmäßigen Mitgliederversammlungen und einem gewählten Vorstand. Alle finanziellen Entscheidungen werden von einem ebenfalls demokratisch gewählten Vertrauensgremium überwacht. Alle Entscheidungsprozesse werden transparent gestaltet. Siehe auch unsere Satzung.
Wie kann man sich in der Liga einbringen?
Über die CONNECT_CARE-Treffen können Mitglieder sich miteinander vernetzen. In einer Kombination von Haupt- und Ehrenämtern soll es Angebote für lokale Liga-Gruppen wie auch inhaltliche Arbeitskreise geben. Davon abgesehen könnt ihr jederzeit für die Liga für unbezahlte Arbeit werben, mit anderen Menschen über die Anliegen von Sorgearbeitenden sprechen oder euch an einer der kommenden Kampagnen beteiligen. Je mehr wir werden, desto umfangreicher und professioneller werden die Strukturen und damit auch die Aktionen!

Rechtliches & Strategie
Worum geht es genau bei der Grundgesetzänderung?
Ausgangspunkt ist Artikel 3 Grundgesetzes (GG).
Art. 3 Abs. 1 GG: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“
Art. 3 Abs. 2 GG: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“
Die systematische Benachteiligung von Sorgearbeitenden verletzt den Gleichheitsgrundsatz doppelt: 1. Sie schafft eine Ungleichbehandlung zwischen Menschen mit und ohne Fürsorgeverantwortung. 2. Sie verfestigt die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, da überwiegend Frauen Sorgearbeit leisten
Das Grundgesetz erkennt bereits an, dass Fürsorge besonderen Schutz verdient. Art. 6 Abs. 4 GG: „Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“ Dieser Schutzauftrag ist jedoch zu eng gefasst (nur Mütter), nicht mit konkreten Rechten verbunden und in der Realität nicht wirksam.
Art. 3 Abs. 3 GG besagt: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“
Während verschiedene unveränderliche Merkmale und Lebenssituationen explizit geschützt sind, fehlt der Schutz für Fürsorgeverantwortung – obwohl diese gesellschaftlich notwendig ist, unvermeidbar ist und systematische Benachteiligung zur Folge hat.
Die logische Konsequenz ist: Die Aufnahme der „familiären Fürsorgeverantwortung“ in Art. 3 Abs. 3 GG, um:
1. Den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz für Sorgearbeitende zu verwirklichen.
2. Den staatlichen Auftrag zur Gleichstellung der Geschlechter zu erfüllen.
3. Den verfassungsrechtlichen Schutzauftrag für Fürsorge effektiv umzusetzen.
Nur durch die explizite Nennung als Diskriminierungsmerkmal kann der Verfassungsauftrag zur Gleichberechtigung auch für Menschen mit Fürsorgeverantwortung Realität werden.
Was könnte eine Grundgesetzänderung denn bewirken?
A) Lohnarbeitszeit und Vereinbarkeit
Die Verankerung familiärer Fürsorgeverantwortung im Grundgesetz würde die Arbeitswelt grundlegend verändern. Eine allgemeine Reduzierung der Lohnarbeitszeit könnte für alle Menschen eingeführt werden, um Chancengleichheit herzustellen. Arbeitgeber müssten flexiblere Arbeitszeitmodelle anbieten und Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen, besonders bei Elternzeit, Teilzeitarbeit und Karriereentwicklung. Das Recht auf Karriere in Teilzeit und gleichwertige Aufstiegschancen für Teilzeitkräfte würden selbstverständlich. Unternehmen wären verpflichtet, Schulungsprogramme zur Sensibilisierung für die Herausforderungen von Menschen mit Fürsorgeverantwortung durchzuführen, um eine diskriminierungsfreie Arbeitsumgebung zu fördern.
B) Rentenabsicherung
Im Rentensystem würde die rechtliche Absicherung zu einem verstärkten politischen Willen führen, die Ansprüche von Menschen mit Fürsorgeverantwortung zu verbessern. Erziehungs- und Pflegezeiten würden stärker angerechnet, und spezielle Programme könnten für Sorgearbeitende Rentenansprüche aufbauen oder bestehende Rentenlücken schließen. Die systematische Benachteiligung, die heute zu Altersarmut führt, würde durch gezielte Maßnahmen bekämpft, um die lebenslangen finanziellen Nachteile durch Sorgearbeit auszugleichen.
C) Erholungsangebote
Die rechtliche Grundlage würde die Bereitstellung und Finanzierung von Erholungsangeboten für Menschen mit Fürsorgeverantwortung stärken. Mehr Ressourcen flössen in Programme, die gezielt auf die Bedürfnisse dieser Gruppen eingehen, ähnlich dem Müttergenesungswerk, aber für alle Sorgearbeitenden. Der Zugang zu solchen Angeboten würde erleichtert und ausgebaut, um die physische und psychische Gesundheit von Sorgearbeitenden zu fördern und ihre Regeneration zu unterstützen.
D) Care-Infrastruktur
Die Anerkennung familiärer Fürsorgeverantwortung würde zu erhöhtem Druck auf den Staat führen, in die Care-Infrastruktur zu investieren. Der Ausbau von Kitas und die Verbesserung der Bedingungen in Pflegeeinrichtungen würden vorangetrieben. Zusätzliche staatliche Mittel würden bereitgestellt, um eine qualitativ hochwertige und bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen, was auch zu einer besseren Bezahlung und Ausbildung von Fachkräften in diesen Bereichen führen würde.
F) Stadtplanung
In der Stadtplanung müssten die Bedürfnisse von Familien und Pflegebedürftigen stärker berücksichtigt werden. Bei der Gestaltung von Wohngebieten, öffentlichen Räumen und Verkehrsinfrastrukturen würden barrierefreie Zugänge, Spielplätze und Gemeinschaftsräume selbstverständlich. Die Standortwahl für Kitas, Schulen und Gesundheitsdienste würde gezielt auf die Bedürfnisse von Familien und Pflegepersonen ausgerichtet. Mehr öffentliche Grünflächen und Freizeitangebote würden geschaffen, die Raum zur Entspannung bieten – mit mehr Bänken und Räumen ohne Konsumzwang.
G) Asylrecht
Im Asylrecht würde die familiäre Fürsorgeverantwortung als relevantes Kriterium anerkannt. Familien mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen erhielten besondere Berücksichtigung und Schutz. Asylsuchende mit Fürsorgeverantwortung bekämen gezielte Integrationsangebote wie Sprachkurse, berufliche Qualifizierung oder psychosoziale Unterstützung. Die Regelungen zur Familienzusammenführung würden verbessert, um Asylbewerbern zu ermöglichen, ihre auf Fürsorge angewiesenen Angehörigen nach Deutschland zu holen.
H) Gleichstellung
Der Abbau der Nachteile durch Sorgearbeit würde zu einer allgemeinen Aufwertung von Sorgetätigkeiten führen. Dies würde es Männern erleichtern, diese Aufgaben zu übernehmen, ohne einen Statusverlust zu erleben. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung könnte aufgebrochen werden, wenn Sorgearbeit gesellschaftlich anerkannt und rechtlich geschützt wäre. Die Gleichstellung der Geschlechter würde dadurch in allen Lebensbereichen vorangetrieben.
I) Wirtschaft und Löhne
In der Wirtschaft würde die Anerkennung von Fürsorgeverantwortung zu einer Neubewertung von Lohnstrukturen führen, um den Gender Pay Gap zu verringern. Berufe im Pflege- und Erziehungssektor erführen eine finanzielle Aufwertung. Unternehmen müssten betriebliche Kinderbetreuung, Pflegeunterstützung oder Beratungsangebote für Mitarbeitende mit Fürsorgeverantwortung anbieten. Steuerliche Anreize würden für familienfreundliche Arbeitsmodelle geschaffen. Die Erwerbsbeteiligung von Sorgearbeitenden könnte steigen, was dem Fachkräftemangel entgegenwirken würde. Neue Geschäftsmodelle und Dienstleistungen entstünden, die auf die Bedürfnisse von Menschen mit Fürsorgeverantwortung zugeschnitten sind.
J) Bildungssystem
Das Bildungssystem würde sich an die Bedürfnisse von Familien anpassen. Schulzeiten und -strukturen würden familienfreundlicher gestaltet, etwa durch verlässliche Ganztagsangebote. Sorgekompetenzen wie Empathie und Fürsorge würden in die Lehrpläne integriert. Für Menschen mit Fürsorgeverantwortung entstünden flexiblere Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten durch Teilzeitmodelle und digitale Lernformate. Eine frühzeitige Sensibilisierung für Care-Themen in Schulen würde traditionelle Rollenbilder aufbrechen und die Wertschätzung für Sorgearbeit erhöhen.
K) Gesundheitssystem
Im Gesundheitswesen würden die spezifischen Belastungen von Sorgearbeitenden besser berücksichtigt. Die gesundheitlichen Risiken intensiver Sorgearbeit – von Rückenproblemen bis zu psychischen Belastungen – würden systematisch erfasst und durch präventive Angebote adressiert. Die hausärztliche Versorgung würde die familiäre Situation stärker einbeziehen. Niedrigschwellige psychologische Unterstützungsangebote für pflegende Angehörige würden ausgebaut, um Isolation und Überforderung entgegenzuwirken.
L) Digitalisierung und technologische Entwicklung
Die Digitalisierung würde gezielt zur Unterstützung von Sorgearbeitenden eingesetzt. Technische Hilfsmittel von intelligenten Pflegehilfen bis zu Haushaltsrobotern würden gefördert. Digitale Plattformen vernetzten Sorgearbeitende und ermöglichten gegenseitige Unterstützung. Telemedizinische Angebote und digitale Pflegeunterstützung erleichterten den Alltag. Eine barrierefreie digitale Infrastruktur würde allen Menschen – unabhängig von Alter, Bildung oder finanziellen Möglichkeiten – den Zugang zu diesen technologischen Unterstützungsangeboten ermöglichen.
M) Medien und öffentlicher Diskurs
Die mediale Darstellung von Sorgearbeit würde sich grundlegend wandeln. Statt als selbstverständliche „Frauensache“ würde Sorgearbeit als gesellschaftlich relevante Aufgabe thematisiert. Verschiedene Familienmodelle und Sorgekonstellationen würden sichtbarer. Öffentliche Kampagnen trügen zur Aufwertung von Sorgearbeit bei und hinterfragten traditionelle Rollenbilder. Der öffentliche Diskurs würde Sorgearbeit nicht mehr als Privatsache, sondern als gesellschaftliche Aufgabe begreifen, die Anerkennung und Unterstützung verdient.
N) Internationale Zusammenarbeit
Auf internationaler Ebene könnte Deutschland Vorreiter werden und sich für die Entwicklung internationaler Standards zum Schutz von Sorgearbeitenden einsetzen. Der Austausch über Best Practices mit anderen Ländern würde intensiviert. In internationalen Wirtschafts- und Handelsabkommen fände die Bedeutung von Care-Arbeit Berücksichtigung. Besondere Aufmerksamkeit erhielte der Schutz migrantischer Care-Arbeiter*innen, deren Rechte durch internationale Abkommen gestärkt werden müssten.
O) Gewaltschutz und Gewaltprävention
Die verfassungsrechtliche Anerkennung familiärer Fürsorgeverantwortung würde auch den Gewaltschutz stärken. Ökonomische Abhängigkeiten, die oft aus der ungleichen Verteilung von Sorgearbeit resultieren, sind ein zentraler Risikofaktor für häusliche Gewalt. Durch die finanzielle Stärkung von Sorgearbeitenden würde ihre Autonomie erhöht und die Möglichkeit, sich aus Gewaltbeziehungen zu lösen, verbessert. Gewaltschutzeinrichtungen müssten die besonderen Bedürfnisse von Menschen mit Fürsorgeverantwortung berücksichtigen, etwa durch kinderfreundliche Schutzräume und Betreuungsangebote. Präventionsprogramme würden die Zusammenhänge zwischen traditionellen Rollenbildern, ökonomischer Ungleichheit und Gewalt thematisieren. Der verbesserte rechtliche Status von Sorgearbeitenden könnte zudem dazu beitragen, strukturelle Gewalt zu reduzieren, die sich in Abwertung, Ausgrenzung und Diskriminierung äußert. Nicht zuletzt würde die gesellschaftliche Aufwertung von Sorgearbeit langfristig zu einem Kulturwandel beitragen, der gewaltfördernde Männlichkeitsbilder hinterfragt und Fürsorge als menschliche Stärke, nicht als Schwäche definiert.
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Diese Darstellung zeigt, wie tiefgreifend die Auswirkungen einer Grundgesetzänderung sein könnten. Sie würde nicht nur einzelne Bereiche verändern, sondern einen gesamtgesellschaftlichen Wandel anstoßen, der Sorgearbeit endlich den Stellenwert gibt, den sie verdient.
Wie realistisch ist eine Grundgesetzänderung wirklich?
Wenn es die entsprechenden Mehrheiten gibt, ist eine Grundgesetzänderung absolut realistisch – auch wenn es einige Jahre dauern wird, diese Mehrheiten zu schaffen. Wir argumentieren aber nicht nur politisch, sondern auch juristisch. Sollte das Bundesverfassungsgericht feststellen, dass der Schutz der familiären Fürsorge im Grundgesetz nicht ausreichend ist, kann es die Gesetzgeberin dazu auffordern, das Grundgesetz anzupassen – zum Beispiel durch die Aufnahme von familiärer Fürsorgeverantwortung als Diskriminierungsmerkmal in Artikel 3, Absatz 3.
Wie erfolgt theoretisch eine Grundgesetzänderung?
Ein Antrag auf Änderung kann von der Bundesregierung, dem Bundestag oder dem Bundesrat eingebracht werden. In der Praxis erfolgt die Initiative oft durch politische Parteien, gesellschaftliche Bewegungen oder Verbände, die Druck auf die politischen Akteure ausüben. Für eine Änderung des Grundgesetzes ist eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder des Bundestags erforderlich (Art. 79 Abs. 2 GG). Auch der Bundesrat muss mit Zweidrittelmehrheit zustimmen.
Eine Grundgesetzänderung erfordert eine breite politische Zustimmung und ist daher nur mit starkem politischem Willen und gesellschaftlicher Unterstützung realisierbar. Die Aufnahme eines neuen Diskriminierungsverbots – etwa für familiäre Fürsorgeverantwortung – muss also nicht nur juristisch begründet, sondern auch politisch mehrheitsfähig gemacht werden.
Warum das Grundgesetz? Würde „familiäre Fürsorgeverantwortung“ im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) nicht ausreichend sein?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wäre ein zu schwaches Instrument für den notwendigen Systemwandel. Hier sind die entscheidenden Gründe:
1. Rechtliche Hierarchie
– Das Grundgesetz steht über allen anderen Gesetzen.
– Alle Gesetze müssen sich am Grundgesetz messen lassen.
– Das AGG kann vom Gesetzgeber leichter geändert werden.
– Verfassungsrang bietet den höchstmöglichen rechtlichen Schutz.
2. Reichweite der Wirkung
– Das AGG gilt hauptsächlich im Arbeits- und Zivilrecht.
– Das Grundgesetz bindet alle staatliche Gewalt.
– Der Verfassungsrang verpflichtet zu aktivem staatlichen Handeln.
– Es hat Auswirkung auf alle Rechtsbereiche: Arbeits-, Sozial-, Steuer-, Familienrecht.
3. Gesellschaftliche Signalwirkung
– Das Grundgesetz spiegelt fundamentale Werte der Gesellschaft.
– Der Verfassungsrang macht Sorgearbeit zur gesamtgesellschaftlichen Aufgabe.
– Im GG hat es auch eine stärkere symbolische Kraft als einfaches Gesetz.
– So wird es zur Grundlage für kulturellen Wandel.
4. Politische Dimension
– Die Gesetzgeberin muss bestehende Gesetze überprüfen.
– Neue Gesetze müssen den Schutz der Sorgearbeit berücksichtigen.
– Es wird zur Basis für Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht.
– Die Verhandlungsposition in politischen Konflikten wird gestärkt.
5. Strukturelle Veränderung
– Das AGG bekämpft nur einzelne Diskriminierungsfälle, das Grundgesetz ermöglicht systematische Veränderungen.
– Der Verfassungsrang erfordert präventive Maßnahmen und ist die Grundlage für positive Maßnahmen zur Förderung des Schutzes.
Das Grundgesetz ist der Hebel, den wir brauchen, um nicht nur einzelne Symptome zu bekämpfen, sondern das System grundlegend zu verändern. Nur der Verfassungsrang macht deutlich: Der Schutz von Sorgearbeit ist keine Nebensache, sondern fundamentales Recht in unserer Gesellschaft.
Wie wird „familiäre Fürsorgeverantwortung“ genau definiert?
Unter familiärer Fürsorgeverantwortung verstehen wir die regelmäßige, unbezahlte Sorgearbeit für Angehörige. Dies umfasst sowohl die direkte Betreuung und Pflege als auch Erziehungsarbeit und die damit verbundene Haushaltsführung. Dabei legen wir einen zeitgemäßen Familienbegriff zugrunde, der über klassische Verwandtschaftsverhältnisse hinausgeht und auch nicht-verwandte Personen in Sorgegemeinschaften einschließt. Eine klare Abgrenzung zu bezahlter Care-Arbeit, wie sie etwa in der professionellen Pflege geleistet wird, ist dabei wesentlich.
Welche Arten von Care-Arbeit werden einbezogen?
Die geschützten Care-Formen umfassen das gesamte Spektrum familiärer Sorgearbeit: von der Kinderbetreuung und -erziehung über die Pflege von Angehörigen bis zur Betreuung von Menschen mit Behinderung. Auch die oft unsichtbare Haushaltsführung für Sorgebedürftige wird einbezogen. Besonders wichtig ist die Anerkennung der organisatorischen Fürsorge, des sogenannten Mental Load, sowie der emotionalen Unterstützungsarbeit. Diese verschiedenen Formen der Care-Arbeit werden als gleichwertige Aspekte familiärer Fürsorgeverantwortung anerkannt.
Welche konkreten juristischen Schritte sind geplant?
Die LUA findet: Der aktuelle Umgang mit Sorgearbeitenden steht im Widerspruch zum Schutz der Ehe und Familie und den Grundrechten aller Menschen. Deswegen prüfen wir eine Verfassungsbeschwerde. Dabei soll es nicht nur um mangelnde Berücksichtigung im Lohnarbeitskontext gehen, sondern um alle Lebensbereiche, in denen Care-Arbeitende aktuell diskriminiert werden: Rente, soziale Absicherung Gesundheitsversorgung, Stadtplanung, Verfügbarkeit von Zeit und Erholung, demokratische Teilhabe und vieles mehr.
Wie erfolgt eine Verfassungsbeschwerde?
Eine Verfassungsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das es Bürger*innen ermöglicht, die Überprüfung von Gesetzen oder staatlichen Maßnahmen auf ihre Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu verlangen. Sie kann beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden, wenn jemand der Meinung ist, dass seine Grundrechte verletzt wurden. Die Beschwerde muss schriftlich eingereicht werden und sollte die konkreten Gründe für die behauptete Grundrechtsverletzung darlegen. Das Bundesverfassungsgericht prüft dann, ob die Beschwerde zulässig und begründet ist und entscheidet, ob die angegriffene Norm verfassungswidrig ist.
Welche Politiker/Parteien unterstützen das Vorhaben bereits?
Das Anliegen der Liga für unbezahlte Arbeit, ein Diskriminierungsverbot für familiäre Fürsorgeverantwortung im Grundgesetz zu verankern, ist ein überparteiliches Vorhaben. So ist auch Ferda Ataman, die Anti-Diskriminierungsbeauftragte und unsere einer bekanntesten Fürsprecherin, an keine Partei gebunden. Als Interessenvertretung wird die Liga die Anliegen der Sorgearbeitenden an alle demokratischen Parteien gleichermaßen herantragen.

Praktische Umsetzung
Wie soll eine „Gewerkschaft“ ohne klassisches Streikrecht funktionieren? Politische Streiks sind doch in Deutschland verboten!
Wir sehen das wie Theresa Tschenker: „Das deutsche Streikrecht ist (…) undemokratisch und gleichstellungsfeindlich, weil es das Eintreten von Care-Arbeiter*innen für ihr Recht auf selbstbestimmte und geschlechtergerechte Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen sanktioniert.“ (https://equalcareday.org/care-streik-jetzt/) Deswegen wollen wir durch strategisches Vorgehen dazu beitragen, das überholte Verbot politischer Streiks zu überwinden. Zum Hintergrund:
Das Streikrecht in Deutschland basiert auf der Koalitionsfreiheit aus Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes, wird dort aber nicht explizit erwähnt. Da es auch keine einfachgesetzliche Regelung gibt, wurde das Streikrecht hauptsächlich durch die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte ausgestaltet. Demnach ist ein Streik nur dann legal, wenn er der Durchsetzung tariflicher Regelungen dient und als Instrument der Tarifautonomie eingesetzt wird. Er muss einen direkten Bezug zu lösbaren tariflichen Interessenkonflikten haben.
Politische Streiks gelten seit den 1950er Jahren als rechtswidrig – interessanterweise aber nicht als verfassungswidrig (Urteil des Freiburger Landesarbeitsgericht 1952, Bundesarbeitsgericht vom 28. Januar 1955). Arbeitgeber können streikende Beschäftigte in solchen Fällen abmahnen, kündigen oder Schadensersatz verlangen. Die Praxis zeigt jedoch, dass politische Streiks oft geduldet werden und keine rechtlichen Konsequenzen nach sich ziehen. Beispiele:
– 1968: Streiks gegen die Notstandsgesetze
– 1972: 100.000 Menschen streikten gegen das Misstrauensvotum gegen Willy Brandt
– 1996: Erfolgreiche Streikaktionen gegen Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
– 2007: 300.000 Beschäftigte protestierten „während der Arbeitszeit“ gegen Rente mit 67
(Quelle: bpb.de „Ein bisschen verboten: Politischer Streik“)
Im europäischen Kontext nimmt Deutschland ohnehin eine Sonderstellung ein: In 36 von 47 Mitgliedsstaaten der Europäischen Menschenrechtskonvention sind politische Streiks legal. Das deutsche Verbot wird daher auch als europa- und völkerrechtlich problematisch eingestuft. Andere Länder wie Frankreich haben einen Mittelweg gefunden und erlauben zumindest Streiks mit arbeits- und sozialpolitischen Zielen. Das vermeintliche Verbot politischer Streiks steht also auf wackeligen Füßen und wird in der Praxis bereits heute unterschiedlich gehandhabt. Der Kontext der Rechte Care-Arbeitender ist die ideale Gelegenheit, für ein politisches Streikrecht in Deutschland zu kämpfen.
Wollt ihr wirklich Care-Arbeit bestreiken? Dann leiden doch die Falschen!
Nein, wir wollen nicht die private Care-Arbeit bestreiken, sondern unsere Lohnarbeit. Arbeitgebende profitieren von familiärer Sorgearbeit, aber sie zahlen oft keine Löhne, die eine Wertschätzung dieser Arbeit widerspiegeln. Um auf die Relevanz von Sorgearbeit hinzuweisen, müssen wir zeigen, wie viele Menschen mit Sorgeverantwortung nur für den bezahlten Teil ihres gesellschaftlichen Beitrags geschätzt werden. Nur so leiden nicht die Schwächsten unter diesem Arbeitskampf.
Wie soll die Rechtsberatung aussehen?
Für die Rechtsberatung orientiert sich die LUA an anderen Gewerkschaften mit einem solchen Angebot. Das Ziel ist, Jurist*innen mit entsprechender Expertise in das hauptamtliche Team der LUA aufzunehmen, die die Anfragen der Mitglieder bearbeiten können. Zu den Aufgaben der Jurist*innen wird auch der Aufbau eines Wissensmanagements zur rechtlichen Lage Sorgearbeitender gehören sowie die Erstellung allgemeiner Info-Broschüren zur ersten Orientierung. Je schneller die Liga wächst und je mehr Mitglieder sie hat, desto schneller wird die Rechtsberatung ihre Arbeit aufnehmen und ganz konkret helfen können.
Welche konkreten Unterstützungsangebote gibt es kurzfristig?
Über die CONNECT_CARE-Treffen bietet die LUA einen Ort für Austausch und Vernetzung. Idealerweise können darüber auch Expertisen und Kontakte vermittelt werden von erfahrenen zu unerfahrenen Mitgliedern. Die LUA arbeitet außerdem am Aufbau einer Rechtsberatung, die ebenfalls kurzfristig zur Verfügung steht. Bedenkt aber: Die LUA ist gerade erst gegründet und finanziert sich durch die Mitgliedsbeiträge. Gebt dem Ganzen also ein bisschen Zeit, sich zu entwickeln.
Wie werden die regelmäßigen Treffen organisiert - online/offline?
Das Vernetzungsangebot findet alle zwei Wochen online statt. Wenn sich jedoch lokale Gruppen in Präsenz treffen wollen, spricht nichts dagegen. Die LUA unterstützt gern bei der Suche nach einem Raum und anderen Planungsfragen. Zusätzlich bieten wir monatliche Vorträge und Workshops an. Dabei setzen wir auf digitale oder hybride Veranstaltungsformate, um möglichst vielen Menschen eine Teilnahme zu ermöglichen.
Gibt es bereits Kooperationspartner*innen?
Alle prominenten Unterstützer*innen findest du hier
Wie wird die Work-Work-Life-Balance der Organisator*innen geschützt?
Alle Schlüsselpositionen (Vorstand, Geschäftsführung, Verwaltung) der Liga sind bezahlte Positionen. Wächst die LUA, wächst auch deren Arbeitsumfang und damit ihre Stundenzahl. Um langfristig (wir sprechen hier über 10+ Jahre) am Ball bleiben zu können, benötigt die LUA professionelle Strukturen, die nur mit Hauptamtlichen gewährleistet sind.
Welche alternativen Strategien gibt es bei Rückschlägen?
Die Liga für unbezahlte Arbeit rechnet realistischerweise mit Widerständen und Rückschlägen auf dem Weg zur Grundgesetzänderung. Wir wissen, dass es Zeit brauchen wird, gesellschaftliche Mehrheiten herzustellen und politische Entscheidungsträger zu überzeugen. Doch wir lassen uns davon nicht entmutigen. Unser Ansatz ist mehrdimensional: Während wir am Hauptziel der Verfassungsänderung festhalten, arbeiten wir parallel an verschiedenen Baustellen – von der Bewusstseinsbildung über die Vernetzung Betroffener bis hin zu konkreten Verbesserungen im Arbeits- und Sozialrecht. Jeder kleine Erfolg stärkt die Bewegung und bringt uns dem großen Ziel näher. Die Geschichte sozialer Bewegungen zeigt: Beharrlichkeit führt zum Erfolg, auch wenn der Weg länger und kurvenreicher sein mag als erhofft.
Was sind Meilensteine für die nächsten 5 Jahre?
Die Liga hat einen klaren Fahrplan für die kommenden Jahre: Im ersten Jahr konzentrieren wir uns auf Mitgliedergewinnung, den Aufbau professioneller Strukturen und die Etablierung einer Beratung für Betroffene. Parallel dazu starten wir mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und ersten Kampagnen. Bis zum dritten Jahr wollen wir ein starkes Netzwerk mit anderen Initiativen aufbauen und konkrete Planungen für einen „Sorgestreik“ vorantreiben, der die Systemrelevanz unbezahlter Arbeit sichtbar macht. Langfristig, im Horizont von fünf Jahren, bereiten wir eine Verfassungsbeschwerde vor, um juristischen Druck für eine Grundgesetzänderung aufzubauen. Während des gesamten Zeitraums verstärken wir kontinuierlich unsere Präsenz auf politischen Events, um Entscheidungsträger zu sensibilisieren und Verbündete zu gewinnen.
Gibt es Länder, in denen Fürsorgeverantwortung bereits ein Diskriminierungsmerkmal ist?
Nach unserem Kenntnisstand gibt es bisher kein Land, das „familiäre Fürsorgeverantwortung“ explizit als Diskriminierungsmerkmal in der Verfassung verankert hat. Allerdings haben verschiedene Länder unterschiedliche gesetzliche Regelungen zum Schutz von Sorgearbeitenden. In vielen Ländern ist zum Beispiel die Diskriminierung von Arbeitnehmer*innen aufgrund von Fürsorgeverantwortung untersagt.