Die Diskussion um ein sogenanntes Familienpflegegeld, wie es aktuell von Bundesministerin Karin Prien vorgeschlagen wird, ist überfällig. Millionen Menschen in Deutschland leisten täglich unbezahlte Pflege – sie springen ein, wo der Staat keine Versorgung mehr sicherstellt. Ein Großteil dieser Care-Arbeit wird im Privaten geleistet, vor allem von Frauen. Der Vorschlag, pflegenden Angehörigen zumindest für einige Jahre eine Lohnersatzleistung zu ermöglichen, ist ein Schritt in die richtige Richtung – aber er greift zu kurz.
Pflege endet nicht nach zwei Jahren.
Gerade Eltern, die ihre Kinder mit Behinderung oder chronischen Erkrankungen pflegen, tun dies oft jahrzehntelang. Auch pflegende Partner*innen oder Kinder erwachsener Pflegebedürftiger übernehmen über viele Jahre hinweg tägliche Sorgearbeit. Eine zeitlich befristete Leistung kann diesen Realitäten nicht gerecht werden. Was es braucht, sind tragfähige, langfristige Lösungen, die Fürsorge nicht nur kurzfristig entlasten, sondern strukturell absichern.
Unbezahlte Pflege verstärkt den Fachkräftemangel.
Der Fachkräftemangel in der Pflege ist längst Realität. Doch wenn Angehörige ihre Erwerbsarbeit reduzieren oder aufgeben, um diese Lücken zu füllen, entsteht ein Teufelskreis: Sie fehlen selbst als Fachkräfte – in Kitas, Schulen, Krankenhäusern, Behörden, Werkstätten. Die private Übernahme öffentlicher Aufgaben untergräbt so die Funktionsfähigkeit der gesamten Gesellschaft. Wer heute zulässt, dass Angehörige den Pflegenotstand allein abfangen, zahlt morgen doppelt – durch fehlende Fachkräfte, höhere Gesundheitskosten und soziale Ungleichheit.
Wirtschaftliches Eigeninteresse und politische Verantwortung
Es liegt im ureigenen Interesse der Wirtschaft, dass Sorgearbeit nachhaltig organisiert wird. Nur wenn Pflege und Beruf vereinbar sind, kann Erwerbsarbeit auf stabilen Beinen stehen. Statt Flickenteppiche und befristete Maßnahmen brauchen wir umfassende Konzepte, die die Realität der Menschen ernst nehmen – und Sorgearbeit als das behandeln, was sie ist: systemrelevant.
Unsere Forderung: Sorgearbeit ins Grundgesetz
Die Liga für unbezahlte Arbeit fordert, familiäre Fürsorgeverantwortung als Diskriminierungsmerkmal in Artikel 3 Absatz 3 Grundgesetz aufzunehmen. Damit wird klar: Niemand darf benachteiligt werden, weil er oder sie Verantwortung für andere übernimmt – weder finanziell, noch beruflich, noch sozial. Diese verfassungsrechtliche Absicherung zwingt die Politik, nachhaltige und faire Lösungen zu entwickeln, statt auf kurzfristige Entlastung zu setzen. Gleichzeitig würde die damit verbundene Aufwertung auch der beruflichen Sorgearbeit zugutekommen: Wenn unbezahlte und bezahlte Care-Arbeit endlich gleichwertig behandelt werden, verbessern sich die Bedingungen in Pflegeberufen – und damit ihre Attraktivität.
Wer heute Sorgearbeit stärkt, stärkt morgen unsere Demokratie, unsere Wirtschaft und unser soziales Miteinander. Es ist Zeit, dass wir Pflege und Fürsorge endlich verlässlich absichern – nicht aus Gnade, sondern aus Notwendigkeit.
Kontakt: Jo Lücke / Franzi Helms, info@lua-carewerkschaft.de


