
Fundament
Die Liga für unbezahlte Arbeit füllt eine Lücke in der strategischen Interessenvertretung. Aber wir wollen nicht vergessen: Es gibt zahlreiche andere Vereine, Netzwerke und Initiativen, die bereits seit vielen Jahren aktivistisch und forschend unterwegs sind.
Geschichte des Aktivismus für Sorgearbeit in Deutschland
1979
Deutsche Hausfrauengewerkschaft e.V. (dhg)
Dr. Gerhild Heuer (Soziologin und Gründerin)
Auf dem Höhepunkt der Emanzipationsbewegung erklärte die Soziologin Dr. Gerhild Heuer, dass es eigentlich eine Hausfrauengewerkschaft geben müsse, damit Hausarbeit und Erwerbsarbeit gleichgestellt würden. Dies war die Geburtsstunde der Deutschen Hausfrauengewerkschaft, der spontan tausende Frauen beitraten, um gegen Altersarmut und Abhängigkeit durch unbezahlte Hausarbeit und Pflegearbeit zu kämpfen.
1986/87
Müttermanifest
Dorothee Paß-Weingartz, Christa Nickels, Gisela Erler u.a. (12 Frauen aus dem Grünen-Umfeld)
Kongress „Leben mit Kindern – Mütter werden laut“ (22.-23. Nov. 1986 in Bonn-Beuel)
Das Manifest entstand aus einem von den Grünen unterstützten Kongress mit 500 Müttern und 200 Kindern und forderte eine Grundsicherung ohne Anbindung an Erwerbstätigkeit sowie die ideelle Aufwertung der Haus- und Erziehungsarbeit. Es propagierte ein neues Emanzipationsbild, das die Wirklichkeit und Wünsche von Müttern ebenso konsequent vertritt wie die Interessen kinderloser Frauen, führte jedoch zu einem heftigen Richtungsstreit unter den Grünen Parteifrauen.
1990er
Aufwertung macht Geschichte
Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV)
Kampagne zur Aufwertung von Frauenarbeit
Diese historische Kampagne der ÖTV setzte sich für die Aufwertung „typischer“ Frauenberufe ein und legte damit den Grundstein für spätere Aufwertungsaktivitäten in sozialen Berufen. Das Ziel der Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen, die 2015 so lange gestreikt haben, war die Aufwertung ihrer Arbeit – ein Einsatz, der auf diese frühe Kampagne zurückgeht.
2000
Umbenennung in Verband der Familienfrauen und -männer e.V.**
Ehemalige Deutsche Hausfrauengewerkschaft
Die Umbenennung der Deutschen Hausfrauengewerkschaft spiegelte eine Anpassung an das zeitgemäße Verständnis von Familienarbeit wider und öffnete den Verband auch für Männer. Diese Entwicklung erkannte an, dass Sorgearbeit nicht ausschließlich von Frauen geleistet wird, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt.
2011
Care.Macht.Mehr
Margrit Brückner, Anna Buschmeyer, Eva Fleischer, Claudia Gather, Karin Jurczyk, Frank Luck, Maria S. Rerrich, Barbara Thiessen u.a.
Initiativkreis von sozialwissenschaftlich Forschenden aus Deutschland, Österreich und Schweiz
Der Initiativkreis wurde von sozialwissenschaftlich Forschenden und Lehrenden gegründet, um die Care-Krise, die in den Arbeitsfeldern der Sorgearbeit bereits lange thematisiert wurde, in der Öffentlichkeit besser sichtbar zu machen. Sie wollten alternative Care-Modelle entwickeln und gesellschaftlich-politische Veränderungsprozesse anstoßen, orientiert an umfassenden Vorstellungen von Gerechtigkeit und einem guten Leben für alle Care-Bereiche zusammen gedacht.
2012
Verband Familienarbeit e.V.
Namensänderung des Verbands der Familienfrauen und -männer
Der 2012 geänderte Verbandsname „Verband Familienarbeit e.V.“ entspricht dem heutigen Selbstverständnis der Menschen, die in der und für die Familie arbeiten, wobei unter „Familie“ jede Hausgemeinschaft von Kindern und Sorgeberechtigten verstanden wird. Der Verband setzt sich für Wahlfreiheit ein, die bedeutet, dass Mütter/Väter entweder die Familienarbeit leisten oder erwerbstätig sind, ohne ins wirtschaftliche und soziale Abseits zu geraten – erst durch gleiche Bewertung und Bezahlung von Erwerbs- und Familienarbeit ist diese Wahlfreiheit gewährleistet.
2012/13
Gründung des Netzwerks Care Revolution
Feministisches Institut Hamburg, Rosa-Luxemburg-Stiftung
Arbeitskreis Reproduktion → Vorbereitung der Aktionskonferenz
Die Geschichte des Netzwerks Care Revolution beginnt im Sommer 2012 mit einem Treffen des Feministischen Instituts Hamburg, aus dem der überregionale „Arbeitskreis Reproduktion“ von etwa 10 Personen gegründet wurde. Im Frühjahr 2013 entschied sich der Arbeitskreis, auch politisch zu intervenieren und rief gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung zu einer Aktionskonferenz auf, woraufhin ein Jahr der Mobilisierung, Diskussionen und Vernetzung mit 70 Kooperationspartnern begann.
2013
Pflege am Boden
10 Forderungen zur Reformierung der Pflegepolitik
„Pflege am Boden“ ist ein von Parteien, Gewerkschaften und Berufsverbänden unabhängiger Zusammenschluss von Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten oder pflegenden Angehörigen, die gemeinsam Politik und Gesellschaft auf die Missstände der Pflegesituation aufmerksam machen wollen. Vom Gesetzgeber fordern sie eine Reformierung der Pflegepolitik, die die Situation für Pflegende, Gepflegte und Angehörige nachhaltig verbessert, damit die Würde des Menschen wieder an erster Stelle stehen kann.
2014
Aktionskonferenz Care Revolution
Dreitägige Konferenz mit 19 Workshops, Demonstration und Kundgebung mit ca. 500 Personen, 70 Kooperationsorganisationen
-Mit etwa 500 Teilnehmenden war die dreitägige Aktionskonferenz sehr gut besucht und umfasste 19 Workshops sowie eine Demonstration mit Mitmach-Kundgebung, die von der Musikerin Bernadette La Hengst unterstützt wurde. Die Atmosphäre war solidarisch und produktiv, geprägt von lebendigem Austausch zwischen Teilnehmenden mit sehr unterschiedlichen Hintergründen, und führte zur Verabschiedung einer Resolution und der Gründung des Netzwerks Care Revolution als Teil einer im Werden begriffenen Care-Bewegung.
2014
Bündnis „Krankenhaus statt Fabrik“
Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte, attac, ver.di u.a.
Das Bündnis wurde mit einer Tagung im Mai 2015 ins Leben gerufen und wendet sich gegen die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens in Deutschland, insbesondere gegen das System der Krankenhausfinanzierung durch DRGs. Es tritt für die bedarfsgerechte Finanzierung von Krankenhäusern und ihres Personals ein, damit nicht Gewinnmargen, sondern allein der medizinische Bedarf ausschlaggebend dafür ist, ob und wie Menschen behandelt werden.
2015
Wirtschaft ist Care
Ina Praetorius, Gründung des Vereins „WiC-Wirtschaft ist Care“ in St. Gallen
Der Verein „WiC-Wirtschaft ist Care“ wurde im Dezember 2015 in St. Gallen von Marta Beéry-Artho, Gaby Belz, Cornelia Camichel Bromeis, Ina Praetorius und Nadja Schnetzler gegründet und setzt sich für die Reorganisation der Ökonomie um ihr Kerngeschäft ein: die Befriedigung tatsächlicher menschlicher Bedürfnisse weltweit. WiC versteht sich als Teil der weltweiten Care-Bewegung und ist eine von vielen Partnerorganisationen der Care-Revolution, die eine neue gesellschaftliche Kultur fordert, in der die Sorge für sich und andere einen eigenständigen Stellenwert bekommt.
2020
Equal Care Day & Manifest
29. Februar 2020, Konferenz mit 8 Workshops zu verschiedenen Care-Bereichen
Das Equal Care-Manifest entstand im Rahmen und in Zusammenarbeit der Teilnehmer*innen der Equal Care Day-Konferenz am 29. Februar 2020, bei der in acht Workshops zu verschiedenen Teilbereichen von Care diskutiert wurde. Die Workshops umfassten Themen von Geburt und Geburtshilfe über Familienarbeit und Mental Load bis hin zu Altenpflege und Sterbebegleitung und legten damit die Grundlagen für konkrete Forderungen zur Anerkennung und Aufwertung von Care-Arbeit.
#arbeits-Aktivismus in Deutschland von der ersten Hausfrauengewerkschaft 1979 bis zu den heutigen vernetzten Bewegungen, die Care-Arbeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe verstehen.
2015
„Großputz! Care nach Corona neu gestalten“
Care.Macht.Mehr
Das Positionspapier aus Deutschland, Österreich und der Schweiz macht deutlich, dass in der Pandemie einmal mehr sichtbar wird, dass zum Menschsein nicht nur Unabhängigkeit gehört, sondern auch Verletzlichkeit und Angewiesenheit – Menschen können ohne Care nicht überleben. Die Autor*innen fordern, dass die Krise als Chance genutzt wird, nicht nur Prämien und Held*innentitel zu verteilen, sondern die Gesundheits-, Sozial- und Wohlfahrtssysteme gesellschaftlich solidarischer zu organisieren und zu finanzieren.
2022
Wirtschaft ist Care Deutschland
Dr. Mareike Bröcheler, Arthur Gräwe, Prof. Dr. Angela Häußler, Prof. Dr. Nina Klünder, Prof. Dr. Uta Meier-Gräwe, Prof. Dr. Angelika Sennlaub, Feline Tecklenburg
Gründung des deutschen Vereins „Wirtschaft ist Care“ in Freiburg
Im Frühjahr 2022 gründete sich in Deutschland der gemeinnützige Verein „Wirtschaft ist Care“ mit Sitz in Freiburg im Breisgau, um die Aktivitäten rund um eine Care-zentrierte Wirtschaft verstärkt auch in die deutschen Debatten einzubringen. Seit September 2022 gibt es eine offizielle Geschäftsstelle beider Vereine (Schweiz und Deutschland) mit Sitz in Berlin, was die Professionalisierung und Ausweitung der Care-Bewegung im deutschsprachigen Raum markiert.
2024
10 Jahre Care Revolution
Oktober 2024, Leipzig
Das zehnjährige Jubiläum wurde mit einem dreitägigen Event in Leipzig gefeiert, das mit einer Podiumsdiskussion begann und 18 Workshops über verschiedene Care-Themen umfasste – von Streiks in Care-Einrichtungen bis hin zu Vergesellschaftung und Sorgezentren. Am Sonntag nahmen sich die Aktiven Zeit für interne Reflexion über das, was nicht so läuft wie gewünscht, da das Netzwerk zwar stabil ist, aber viele Menschen und Gruppen nicht erreicht oder auf dem Weg verliert – eine Herausforderung für die nächsten zehn Jahre.
2025
Liga für unbezahlte Arbeit e.V.
Gründung 01.05.2025, Berlin